Interview Helmut Jost

MAGIC DISK 64 (MD64)
Herr Jost, erzählen Sie den Lesern doch zum Einstieg etwas über sich. Wer ist der Mensch hinter Helmut Jost? Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten - welchen Hobbies gehen Sie nach?

HELMUT JOST (HJ)
Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden, habe dann Elektrotechnik studiert und bin dann bei einem amerikanischen Lasertechnik-Unternehmen mit Sitz in Palo Alto, Kalifornien und Neu Isenburg gelandet. Für mich war das eine schöne Zeit, da ich als junger Mensch bei diesem Unternehmen weltweit tätig war und somit viel von der Welt sehen und lernen konnte. Meine Hobbies liegen hauptsächlich im sportlichen Bereich, von Leichtathletik über Rennrad- und Mountainbike- fahren bis hin zum golfen.Darüber hinaus kümmere ich mich um meine Familie und versuche meinFreundeskreis zu pflegen.

MD64
Erzählen Sie uns bitte etwas über ihre Karrierelaufbahn. Wie hat alles begonnen und wo befinden Sie sich momentan?

HJ
Wie schon vorher beschrieben, habe ich nach dem Ende des Studiums 2 Jahre in der Technik gearbeitet und bin dann bei Commodore über dasProduktmanagement zum Vertrieb, später in die Geschäftsleitung und als Vice President ins Board in den USA gekommen. Ich war darüber hinaus in anderen Unternehmen als Geschäftsführer tätig, auch bei Unternehmen die mit der IT-Industrie nichts zu tun hatten. Heute bin ich in der Beratung tätig mit dem Schwerpunkt auf Restrukturierung und Interim Management.

MD64
Wie kamen Sie zu Commodore. Was war Ihre erste Position?

HJ
Als ich eines Tages, für das Laserunternehmen, auf dem Rückflug von Ankara nach Frankfurt war, las ich  in einer alten FAZ, das Commodore ein Produktmanager suchte. Also habe ich nach der Landung direkt angerufen. Die Sekretärin des Geschäftsführers sagte, dass die Stelle schon so gut wie vergeben sei aber Sie fragte nach ob ich doch noch vorbeikommen könnte. So kam es, dass ich eine Stunde nach Ankunft in Frankfurt beim GF von Commodoreim Büro saß und den Job als Produktmanager bekam. So fing alles an. 12 Mitarbeiter, hauptsächlich wurden damals Taschenrechner undHexadezimalrechner für den Laborbetrieb verkauft. Dann kamen PET und VC 20, C64.

MD64
Nachdem Sie bei Commodore waren, haben Sie eine Stelle bei Amstradangetreten. Wie kam es später zur "Rückkehr" als Geschäftsführer zu Commodore Deutschland? Was war der Auslöser für ihren endgültigen Ausstieg bei Commodore, nachdem Sie laut Focus 3/1993 im Krach auseinander gegangen sind?

HJ
Nach ca. 5 Jahren der Aufbauzeit bei Commodore als Produktmanager und Sales Director wollte ich etwas anderes machen und auch die volle Verantwortung eines Unternehmens als GF (Geschäftsführer) übernehmen. Da zum damaligen Zeitpunkt diese Möglichkeit bei Commodore nicht bestand, habe ich ein Angebot von Amstrad alsGF anzufangen angenommen. In der Folgezeit ging es bei Commodore in der Geschäftsentwicklung nach unten. Es wurde in der Folge das Management in kurzen Abständen gewechselt, was am Abschwung nichts änderte. Nach ca. 2 Jahren fing man an mich zu bearbeiten ob ich nicht zurück komme um das Ruder, jetzt als GF zu übernehmen. So kam es, dass ich wieder bei Commodore war, dem Unternehmen wo mein Herzblut dranhing. In der Folgezeit haben wir das Unternehmen wieder zum positiven gedreht und die besten Geschäftsergebnisse seit Bestehen abgeliefert. In den Folgejahren entwickelte sich Commodore Deutschland so gut, dass ca. 60% vom weltweitenUmsatz und 90% vom weltweiten Profit aus der deutschen GmbH kamen. Das führte in der Folge zu massiven Spannungen zwischen der deutschen Commodore und dem Headquarter in den USA, das uns förmlich aussaugte aber wenig für den Geschäftserfolg getan hat, sodass ich die Nase voll hatte und 1993 als Vorstand zu ESCOM ging.

MD64
Welche Themen bei Commodore haben Sie als Geschäftsführer besonders lange Zeit beschäftigt und vielleicht sogar mit nach Hause "verfolgt"?

HJ
Es hat weh getan, dass gute Ideen die wir in Deutschland entwickelt haben, im HQ nicht aufgenommen worden sind. Man hing zu sehr an dem Erfolg der Vergangenheit und hat den sich schnell ändernden Markt nicht wahr haben wollen.

MD64
Teilweise werden Sie als gleichgültiger Geschäftsführer beschrieben - der keine Ahnung von der Materie hat(te). Haben die Personen, die Ihnen dieses Verhalten vorwerfen Sie mal persönlich darauf angesprochen? Wären Sie auch heute noch an einem persönlichen Treffen interessiert um die Vorwürfe auszuräumen oder meinen Sie... es hat schlicht keinen Sinn?

HJ
Wer mich kennt weiß, dass mir die Sache Commodore nicht gleichgültig war, dass Gegenteil ist der Fall. Aber es wird immer Menschen geben die ihren Blickwinkel haben, ob der richtigist regt mich heute nicht mehr auf. Fakt ist, wenn sie Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen müssen, können sie es nicht allen gerecht machen. Ich glaube die Ergebnisse zu meiner Zeit als GF sprechen für sich.

MD64
Welche Personen bei Commodore Deutschland, U.S.A. usw. sind Ihnenbesonders positiv und innovativ in Erinnerung geblieben und warum?

HJ
Ich möchte keine Einzelpersonen hervorheben, sondern bemerken, dass wir zur Zeit des VC 20 / C 64 sowie zur Zeit des Amiga und bei den MS/DOS PC's hervorragende Entwickler-Teams hatten, ohne die diese Entwicklung nicht möglich gewesen wäre.

MD64
Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten... was würden Sie anders machen? Was waren die größten Fehler die Commodore U.S.A. in ihren Augen gemacht hat und somit zum "Untergang" Commodores geführt hat?

HJ
Nachdem die Marktbedeutung von Commodore in den U.S.A. stark gefallen war, hat man die vorhandenen Mittel nicht Sinnvoll eingesetzt, sondern für Entwicklungen ausgegeben die letztendlich zu keinem geschäftlichen Erfolg geführt haben, siehe CDTV.Man hatte in den U.S.A. den Kontakt zum Markt verloren, wollte aber die Richtung bestimmen.

MD64
Wie viel Einfluss hatte Commodore Deutschland auf die Weltmarkt Lage von Commodore...? Was haben Sie zum Beispiel über das CDTV gedacht?

HJ
Die Wichtigkeit Commodore Deutschlands war von den Verkaufszahlen und Ergebnissen her sehr hoch. Durch unsere Fabrik in Braunschweig waren wir in der Lage flexibel auf den Markt zu reagieren und konnten das in Erfolge ummünzen. Leider hat man uns später diese Flexibilität genommen. Die Spielekonsole CDTV war seiner Zeit weit voraus, sodass der Markt und damit der Konsument nichts mit anfangen konnte. Das gleiche geschah mit der Philips Konsole (CD-i) die zur gleichen Zeit auf den Markt kam. Man wollte unbedingt an die Erfolge von Amiga anknüpfen, hatte aber ein Millionengrab geschaffen.

MD64
Wie verliefen die Treffen mit Mehdi Ali, Irving Gould usw.? Wie war die allgemeine Stimmung zwischen der "Mutter" und dem "Ableger"?

HJ
Da ich jemand der ersten Stunde bei Commodore war, hatte ich ein sehr gutes Verhältnis zu Jack Tramiel und Irving Gould. Auch zu Mehdi Ali war das Verhältnis lange Zeit sehr gut, hat aber dann am Ende gelitten, da wir nur noch als Cash Lieferant gesehen wurden, was unsere Arbeit schwerer machte und was ich auch nicht akzeptiert habe. Ab dieser Zeit kühlte unser Verhältnis ab.

MD64
Wahrscheinlich haben Sie auch mit ihrem damaligen Vorgänger, Winfried Hoffmann Gespräche geführt... in welcher Marktlage war Commodore damals und wie sah Ihre Geschäftsstrategie aus?

HJ
Winfried Hoffmann und ich sind nach holprigem Start gute Freunde geworden. Wir beide haben oft diskutiert wie wir besser werden können. Man muss sich vorstellen, dass neben dem Erfolg mit C64 und Amiga, Commodore auch im MS/DOS Markt in Deutschland sehr erfolgreich war. Wir lagen meistens in der Spitzentruppe was den Marktanteil betrifft. Wir merkten, dass sich der Markt stärker in die Microsoft Richtung entwickelt und wir alles tun müssen hierdabei zu sein. Selbst Unternehmen wie Apple die heute sehr erfolgreich sind hatten zur damaligen Zeit ihre Probleme, haben sich aber mit Grafikprodukten über Wasser halten können, bis sie mit den neuen Produktlinien wieder auf die Erfolgsspur zurückgekommen sind.

MD64
Was haben Sie persönlich unternommen um Commodore vor dem "Untergang" zu retten?

HJ
Ich habe mich massiv mit Mehdi Ali auseinandergesetzt und ihm klar gemacht er solle Deutschland die Produkthoheit geben, da wir näher am Markt waren und ein besseres Verständnis hatten was marktseitig gefragt ist. Die Gruppe um ihn herum in den USA wollte das nicht, was dann immer mehr zu einer Marktentfernung geführt hat.

MD64
Mit welchem Gefühl haben Sie Commodore als Geschäftsführer verlassen? War es eher eine Art Enttäuschung oder Wut?

HJ
Es war beides. Leider war Irving Gould als Head of the Supervisory Board zu damaliger Zeit gesundheitlich zu schwach um noch ins Tagesgeschäft einzugreifen. Mit ihm zusammen hätte man vielleicht noch eine Änderung herbeiführen können.MD64Sie kamen später als Geschäftsführer zu Escom. Wie kam es dazu?HJESCOM war ein Kunde von mir zu meiner Commodore Zeit und so kam es, als ESCOM zur Börse wollte und auf Expansion aus war, dass man mir ein Angebot als Vorstand gemacht hat.

MD64
Was waren für Sie die Gründe, dass auch Escom die Segel streichen musste?

HJ
Im Nachhinein muss man sagen, dass dieser vom PC geprägte Markt und seine Vermarktungsformen nur so lange eine Berechtigung hatte, wie der PC noch kein Standardprodukt war, welches überall verkauft werden kann. Die Umwälzungen haben nicht nur ESCOM getroffen, sondern unzählige Hersteller und Handelsformen die ca. 10-20 Jahre an dem Markt partizipiert haben. Heute werden die meisten Notebooks und PC's über das Internet verkauft, was mansich Anfang der 90er nicht hätte vorstellen können.

MD64
Herr Jost, was brennt Ihnen unter den Nägeln... was möchten Sie ihren Kritikern sagen?

HJ
Lass sie schlafen. Ich bin kein Mensch der nach hinten sieht. Ich versuche aus der Vergangenheit zu lernen aber in der Zukunft zu leben, die Energie richtig einsetzen und nicht vergeuden.

MD64
Was sind Ihre Zukunftspläne (sowohl im Privatleben als auch imGeschäftsleben)? Sind Sie zufrieden mit ihrem "Lebenswerk"?

HJ
Von Lebenswerk möchte ich nicht reden, das klingt so nach Ende. Da ich noch fit bin habe ich noch ein paar Träume die ich noch umsetzen möchte, aber auch geschäftlich werde ich mich noch nicht zur Ruhe setzen.

MD64
Waren Sie persönlich Fan von Computer- oder Videospielen? Wenn ja... was waren Ihre Lieblings Spiele und Anwendungen? Und... spielen Sie auch heute noch?

HJ
Ich kann mich noch genau erinnern, als die erste Kassette mit Pac-Man auf dem VC 20 herauskam und wir sie zum testen bekamen, das war eine coole Sache damals. Heute vertreibe ich mir die Zeit wenn ich warten muss mit dem Kartenspiel Solitaire. Ich verbringe viel Zeit am PC, sodass ich mich von weiteren Spielen fernhalte.

MD64
Welche abschließenden Worte haben Sie noch an die Leser, Herr Jost?

HJ
Commodore mit seinen Produkten war ein fantastisches Unternehmen was die Menschen elektrisiert hat. Man sieht ja auch bei ihren Aktivitäten bei Magic Disk 64, dass es nach so langer Zeit immer noch Themen gibt, die Menschen ansprechen. Ich weiß auch, dass es noch sehr viele Produkte wie C 64, Amiga etc. gibt, die heute noch benutzt werden und Kultstatus erreicht haben. Ich wünsche ihnen viel Erfolg.